Markus Fleißgarten, Dipl.-Ing. Architekt und Sachverständiger für Wärmeschutz, hat die
Graue Energie von Luft/Wasser-Wärmepumpen- und Infrarotheizsystemen verglichen.
Die hohe Differenz des Treibhauspotentials zugunsten der Infrarotheizung (34:1) ist vor
allem auf das Kältemittel der Wärmepumpe zurückzuführen.
Bochum, 18. September 2023.
Der Bausektor gilt global und national als ein Hauptverursacher
von Treibhausgasemissionen. Laut Gebäudereport der Deutschen Energie-Agentur (dena)
2022* sind in Deutschland rund 40 Prozent der klimaschädlichen Emissionen auf die Errichtung
und den Betrieb von Gebäuden zurückzuführen. In der Diskussion und Bewertung
beispielsweise von Heizungen liegt der Fokus gleichwohl auf dem Energieverbrauch und damit
den direkt verursachten Emissionen. Mit Blick auf eine umfassendere Reduktion von CO2-
Emissionen wird daher die Forderung lauter, auch die Graue Energie beziehungsweise die
indirekten Emissionen in die Bewertung einfließen zu lassen. Wie unterschiedlich die
Ergebnisse für zwei Heizsysteme ausfallen können, zeigt nun eine Untersuchung von Markus
Fleißgarten, Dipl.-Ing. Architekt und Sachverständiger für Wärmeschutz. Er hat die Graue
Energie – also die gesamte Energie, die von der Herstellung bis zur Entsorgung für ein Produkt
benötigt wird, von Luft/Wasser-Wärmepumpen- und Infrarotheizsystemen miteinander
verglichen und kommt auf einen Faktor von 34:1 beim Erderwärmungspotential. Die hohe
Differenz ist vor allem auf das Kältemittel von Wärmepumpen zurückzuführen.
Markus Fleißgarten beschäftigt sich seit 2014 mit beiden Heizsystemen. Dabei ist ihm
aufgefallen, dass Wärmepumpenanlagen besonders komplex sind, die Kältemittel von
Wärmepumpen-Systemen gelten zudem als extrem klimaschädlich. „Im Gegensatz dazu sind
Infrarotheizungen sehr einfach aufgebaut. Außerdem werden Infrarotheizgeräte einfach nur an
der Wand oder unter der Decke montiert und das Stromkabel in die Steckdose oder einen
Deckenauslass eingesteckt“, sagt Fleißgarten.
Diese Beobachtung hat er zum Anlass genommen, die Graue Energie der beiden Heizsysteme
miteinander zu vergleichen – genauer gesagt, ein Luft/Wasser-Wärmepumpen-System inklusive
Wärmeverteilung und -abgabe, jedoch ohne den Raumbedarf für den Aufstellraum und
Schächte, einerseits und die Wärmeverteilung und -abgabe einer Infrarotheizung, die keinen
Wärmeerzeuger benötigt, andererseits. Der Endenergie-Strombedarf, also die Energie für den
Betrieb der Heizungsanlagen, fällt generell nicht unter Graue Energie.
Effizienzhaus 55 als Grundlage
Grundlage für die Auswahl der zu untersuchenden Heizsysteme ist ein Einfamilienhaus mit 150
Quadratmetern Nutzfläche. Für diese Betrachtung beziehungsweise für ein gut funktionierendes
Wärmepumpen- und Infrarotheizungssystem hat es hier mindestens Neubaustandard, also KfW
Effizienzhaus 55 beziehungsweise Energieeffizienzklasse A, zu entsprechen.
Bei der Luft/Wasser-Wärmepumpen- und der Infrarotheiztechnik wurde jeweils von 12.000 Watt
thermischer Leistung ausgegangen. Die Leistung entspricht der vom Heizsystem jeweils
erforderlichen Heizlast, um den oben beschriebenen Neubau effizient zu beheizen. Die
Umrechnung der „gefühlten“ thermischen Leistung von Infrarotheizungssystemen erfolgt gemäß
Herstellerangaben und kann zwischen 5.200 und 13.500 Watt bei vergleichbarem Endenergie-
Stromverbrauch liegen. „Gefühlt“ bedeutet dabei, dass Wärmestrahlung eine höhere
physiologische Wirksamkeit besitzt als die Erwärmung des Menschen über ihn umgebende
warme Luft und daher in Folge weniger Leistung und Energie benötigt.
Komplexes versus schlankes System
Anhand eines detaillierten Angebotes für eine Luft-Wärmepumpenheizung erstellte Fleißgarten
zunächst Stücklisten, Quadratmeter- und Längenberechnungen sowie die einzelnen Anlagen-
Komponenten einer Luft/Wasser-Wärmepumpe. Dazu gehören eine Innen- und Außeneinheit,
Trinkwasser- und Pufferspeicher, Heizkreis-Verteiler, 150 Quadratmeter Polysterol-
Noppenbahnen, 50 Meter Kupfer- und mehr als 2,2 Kilometer Metallverbundrohr, mehr als
5.000 Kleinteile, Befestigungen, Dichtungen, Wärmedämmstoffe und Betonfundament. Für den
Transport eines solchen Heizsystems braucht es einen LKW.
Die Ermittlung der Bestandteile des Infrarotheizsystems stellte sich weitaus einfacher dar. Im
Wesentlichen waren dies die Infrarotpaneele, Thermostate, eine Steuerzentrale und zwei
Durchlauferhitzer für die Küche und das Bad. Diese Anlage passt in einen PKW-Kombi.
Für die Haustechnik empfiehlt sich generell die Betrachtung eines Lebenszyklus von 40 Jahren.
Bei der Berechnung ist Fleißgarten davon ausgegangen, dass die Luft/Wasser-Wärmepumpe
inklusive eines klimafreundlichen Kältemittels wie Propan nach einer Lebensdauer von 15 bis
20 Jahren ausgetauscht werden muss. Die Lebensdauer von Infrarotheizgeräten liegt bei 35 bis
40 Jahren, sodass hierfür in der Berechnung kein Austausch stattfinden muss. Die Lebensdauer
des Durchlauferhitzers liegt bei 15 Jahren, sodass dieser drei Mal ersetzt werden muss.
Anhand der Datenbank des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen
„ökobau.DAT“ ermittelte er anschließend das Global Warming Potential (GWP) der beiden
Heizsysteme, zu Deutsch ihr Treibhaus- oder auch Erderwärmungspotenzial. Denn Graue
Energie verursacht Treibhausgasemissionen, die mit Hilfe von CO2-Äquivalenten quantifiziert
werden. CO2 hat daher ein GWP von 1.
Hohe Differenz der CO2-Äquivalente
Die Berechnung ergab einen signifikanten Unterschied der anfallenden Grauen Energie. Die
Bestandteile der Luft/Wasser-Wärmepumpe mit Fußbodenheizung und Trinkwasserbereitung
verursachen 7,44 Tonnen CO2-Äquivalente, für fünf Kilogramm Kältemittel kommen nochmals
10,49 Tonnen CO2-Äquivalente dazu. Das heißt, für das Wärmepumpensystem müssen in der
Summe 17,93 Tonnen CO2-Äquivalente Graue Energie aufgewendet werden.
Bei den Infrarot-Deckenheizungen mit Durchlauferhitzer sind es lediglich 0,32 bis 0,74 Tonnen
CO2-Äquivalente, so dass sich ein Faktor von durchschnittlich 34 zu eins ergibt, je nach
Infrarothersteller. (Berechnung: 17,93 ÷ 0,53 = 33,83) Dem Kältemittel, das mit einmaliger
Befüllung angesetzt wurde, steht bei der Infrarot-Heiztechnik kein Wert gegenüber, da bei
dieser Heizungsart keine Betriebsmittel erforderlich sind.
Um die auseinanderklaffenden Ökobilanzen zu veranschaulichen, zieht Fleißgarten einen
Vergleich: Die 17,93 Tonnen CO2-Äquivalente Graue Energie der Luft/Wasser-Wärmepumpe
entsprechen der ökologischen Lebensleistung von 18 Buchen, die 80 Jahre alt und 23 Meter
hoch sind und einen Stammumfang von 95 cm haben. Die Emissionen des Infrarotheizsystems
kann eine einzige Buche, die nicht einmal 40 Jahre alt ist, wettmachen.
Die Graue Energie, die für das jeweilige Heizsystem eingesetzt wurde, wird über 40 Jahre
„abgeschrieben“. Bei 17,93 Tonnen für das Wärmepumpensystem inklusive Erstbefüllung des
Kältemittels entspricht dies einer jährlichen Abschreibung von 450 Kilogramm CO2-
Äquivalenten, die zusätzlich zum Kohlenstoffdioxid des Endenergieverbrauchs emittiert werden.
Für das Infrarotheizsystem beträgt die Abschreibung maximal 0,74 Tonnen, was jährlich weniger
als 20 Kilogramm CO2-Äquivalente entspricht – dies bei einem vergleichbaren
Endenergieverbrauch, wobei Fleißgarten sich auf das Forschungsprojekt „IR-Bau – Potenzial
von Infrarot-Heizsystemen für hocheffiziente Wohngebäude (02-2020)“** bezieht.
Kältemittel Hauptursache für hohe CO2-Äquivalente
Die jährlichen Verluste von Kältemitteln einer Wärmepumpe setzte er mit 7 Prozent der
Füllmenge an, so dass sich hierfür 0,7 Tonnen CO2-Äquivalente in 18 Jahren ergaben. „Das ist
also mehr als die gesamte Graue Energie der vollständigen Installation einer Infrarotheizung für
das oben beschriebene Einfamilienhaus“, sagt er.
Insgesamt verursacht das Kältemittel für die erstmalige Befüllung, Verluste und abschließendem
Recycling-Prozess nach 20 Jahren am Ende des Lebenszyklus circa 11,22 Tonnen CO2-
Äquivalente. Und so resümiert Fleißgarten: „Das Kältemittel ist ganz eindeutig die Hauptursache
für die hohen CO2-Äquivalente bei Wärmepumpen.“ Weiterhin gibt er zu bedenken, dass das
gesamte Hydrauliksystem der Wärmepumpe hohe Wärmeverluste hat, welche die praktische
Jahresarbeitszahl stark verringern können.
Als Fazit bleibt festzuhalten: Beim Vergleich der Grauen Energie und der Treibhauspotenziale,
die für ein Luft/Wasser-Wärmepumpensystem und für ein Infrarotheizsystem anfallen, schneidet
die Infrarotheizung um Längen besser ab, da sie aus wenigen Komponenten besteht, keinen
zentralen Wärmeerzeuger, kein Betriebsmittel und kein Wärmeverteilsystem benötigt und kaum
Energieverluste hat, zumal sie mit Strom aus der Streckdose betrieben wird. Die Differenz mit
dem Faktor 34:1 ist eklatant.
Der ökologische Rucksack eines Luft/Wasser-Wärmepumpensystems wiegt also schwer. „Es ist
keine Frage, dass es diesen im Laufe der Betriebszeit von etwa 15 bis 20 Jahren niemals
wettmachen kann“, resümiert Markus Fleißgarten. Und das bei gleichem Endenergie-
Stromverbrauch wie ein Infrarotheizsystem, wie es in dem Forschungsprojekt IR-BAU ermittelt
wurde.
Quellen:
*) dena-Gebäudereport 2022 – Zahlen, Daten, Fakten (S. 55)
https://www.gebaeudeforum.de/wissen/zahlen-daten/gebaeudereport-2022/
**) https://www.htwg-konstanz.de/forschung-und-transfer/institute-undlabore/
energie/forschung/ir-bau/
***) https://www.timoleukefeld.de/wp/wp-content/uploads/2023/06/20230605-wirkungsgradeund-
kosten-wp-versus-ir-de.pdf
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